Hubkieler in seinem Element

Ein Wochenende im Schlick

Hubkieler in seinem Element

August im Jadebusen – der Sommer zeigt sich von seiner besten Seite. Warme Temperaturen, moderater Wind bis 15 kn, keine Niederschläge. Perfekte Rahmenbedingungen für eine Übernachtung im Trockenen. 2,5 Stunden vor Hochwasser passieren wir mit unserem Hubkieler Lankenau die Vareler Wilhelm-Kammann-Schleuse.

Die vielen Touristen, die die Schiffe beim Ein- und Ausfahren interessiert beobachten, fragen uns oft, nach welchen Kriterien die Schleuse öffnet. Die Sache ist einfach: ca. 2,5 Stunden vor und ca. 1 Stunde nach Hochwasser an der Schleuse. Nur wenn die Wasserstände im Tidenrevier Jadebusen und im Binnentief gleich sind, können die Tore für kurze Zeit geöffnet werden. Es handelt sich nämlich um eine reine Sielschleuse, welche kein Anheben oder Absenken der Schiffe ermöglicht.

Im Detail ist es dann allerdings komplizierter: Wind, Luftdruck und Dünung haben zum Teil erhebliche Abweichungen von manchmal bis zu 1 Stunde zur Folge. Aber wir sind es gewohnt im Tidenrevier, unsere gesamte Planung und Durchführung den Naturgewalten unterzuordnen.

Kompliziert ist auch die Planung einer geeigneten Stelle, um sich bei Ebbe auf den Sand oder in den Schlick zu setzen. Tatsächlich ist das aufgrund vieler ausgewiesener Schutzzonen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer nur an ganz wenigen Stellen möglich.

Das richtige Boot

Grundvoraussetzung ist zudem, dass das verwendete Boot für das Trockenfallen überhaupt geeignet ist. Für einen Großteil der Kielboote gilt das nicht. Der Kiel würde als erstes aufsetzen und das Boot im Anschluss langsam auf die Seite kippen. Auch ist der Tiefgang oftmals durch den Kiel zu groß um in den flachen Prielen fahren zu können. Manche Boote sind Kimmkieler. Sie haben zwei Kiele und können damit gerade aufsetzen. Es gibt weitere Bauarten.

Unsere Lankenau ist speziell für die Fahrt in den Wattrevieren konstruiert. Sie ist ein Hubkieler. Dieser kann beim Segeln elektrisch oder von Hand bis auf eine stattliche Wassertiefe von 2,70 m abgesenkt werden. Andersherum kann man ihn auf eine Wassertiefe von 0,70 m hochfahren. In diesem Zustand setzt sich das Boot auf den nur noch unten herausragenden Kielschuh und legt sich anschließend sanft ab.

Im Schlick gelingt es, nahezu eben zu liegen – so auch hier:

Hubkieler in seinem Element

Erst ankern, dann Trockenfallen

Dem Trockenfallen geht stets das Ankern voraus. Während der Ebbe (so nennt man die Zeitspanne vom Hochwasser bis zum Niedrigwasser) sucht man mit dem Tiefenmesser den Untergrund ab und schmeißt an einer geeigneten Stelle den oder die Anker. Den Rest übernimmt das ablaufende Wasser. Kaum zu glauben, dass das folgende Foto vor Anker nur wenige Stunden zuvor an der gleichen Stelle aufgenommen wurde.

Hubkieler ankernd

Durch den fallenden Wasserstand verändert sich bis zum Niedrigwasser ständig die Perspektive. Windräder, Tonnen, Leuchttürme versinken, Sandbänke und Buhnen tauchen auf, die Priele zeichnen sich mehr und mehr ab. Seevögel ziehen herbei und freuen sich auf eine üppige Mahlzeit.

Im Schlick

Mit dem Aufsetzen ist es so, als würde das Boot sein Leben aushauchen. Jeglicher Flow, der im Wasser spürbar ist, verschwindet. Es wird zum reinen Gegenstand – für Stunden… . Lediglich der Wind sorgt für Schwingungen und Resonanzen im Rigg.

Hubkieler trockengefallen

Barfuß durch den Schlick staksend lässt sich das Unterwasserschiff bestens inspizieren. Das Foto zeigt die vollständige Ruderanlage sowie die Schiffsschraube.

Backbordansicht

Die Seitenansicht zeigt den im Mittelschiff nach oben herausragenden Hals des Hubkiels. Am vorderen Unterwasserschiff sind die zwei Transducer des analogen Echolots zu erkennen.

Steuerbordansicht

Die Steuerbordseitenansicht zeigt den Montageort des digitalen Sensors für Tiefe, Geschwindigkeit durchs Wasser und Temperatur. Auch Bordsdurchlässe sind erkennbar, z. B. in der Mitte der Ablauf des Waschbeckens der Pantry.

Wir lassen den lauen Sommerabend an Deck liegend ausklingen und genießen den Sternenhimmel mit zahlreichen Sternschnuppen und Perseiden.

Sternenhimmel mit Perseiden

Das Wasser kommt zurück

Mit Einsetzen der Flut beginnen sich die Priele wieder langsam mit Wasser zu füllen. Nach einigen Stunden beginnt es wieder hörbar an der Bordwand zu plätschern. Das sind die ersten Anzeichen des näherrückenden Aufschwimmens. Nach der Rückkehr des Flows bedarf es nach den Stunden des sicheren Grundsitzens wieder vermehrter Aufmerksamkeit – der sogenannten Ankerwache. Das freigekommene Boot richtet sich an der neuen Strom- und Windrichtung aus. Glücklicherweise lässt sich für die Lankenau sagen, dass der Anker aufgrund seiner speziellen Bauform in Sand und Schlick extrem gut packt. Er gräbt sich, sofern er kurz ausbricht, direkt wieder ein.

Nach zwei Niedrigwassern (abends und morgens) treten wir nach dem erneuten Aufschwimmen unseres Hubkielers die Heimreise an. Die sich aus dem Vollmond ergebende Springzeit hat zwar bei Niedrigwasser niedrigere Wasserstände zur Folge, jedoch steht während der Flut zügig mehr Wasser im Jadebusen. Das spart uns sonst notwendige Umwege ein und wir können auf direktem Kurs das Vareler Wattfahrwasser ansteuern.

Lankenau am Wind