Bootselektrik-Refit – Phase 2

Eine gute Bestandsaufnahme und Planung ist die halbe Miete für ein gelungenes Bootselektrik-Refit.

Wenngleich man sich in dieser Phase des Refits noch ziemlich weit am Anfang befindet und somit viele viele Stunden Arbeit vor sich hat, haben wir sie als befreiend empfunden. Die über gut 30 Jahre “gewachsene” Verkabelung entsprach nicht mehr dem, was die sehr guten und professionellen Schaltpläne darstellten. Zu komplex war die Implementierung aufkommender Solartechnik, moderner GPS-unterstützter Kartenplotter,  GMDSS und damit verbunden AIS und in Jürgen Rutenbergs letzten Jahren des NMEA-0183-Busses. Dem geschuldet schlug leider jeder Versuch fehl, Plan und Realität in Deckung zu bringen.

Insofern war die Bestandsaufnahme ein bisschen so, wie ein Frühjahrsputz.

Einleitend sei gesagt, dass sich der allergrößte Teil der Schaltelemente neben dem großen Kartentisch am Niedergang befinden. Hier laufen so gut wie alle Kabelwege zusammen.

Die in diesem Blogbeitrag beschriebene Phase 2 gliedert sich in

  • Bestandsaufnahme und Demontage sowie
  • Planung und Beschaffung.

Bestandsaufnahme und Demontage

“Alles muss raus” – nach diesem Motto begann Anfang 2018 die mühevolle Demontage der alten Hauptverteilung. Kabel für Kabel wurde zunächst bzgl. der Verwendung überprüft. Sofern es zukünftig Verwendung finden sollte, wurde es auf Unversehrtheit getestet und sorgfältig in einer Excel-Tabelle erfasst.

Kabelliste
Kabelliste

Die alte Hauptverteilung wurde anschließend vollständig demontiert. Lediglich der 2-auf-1-Umschalter für die Auswahl der Batteriebank fand Wiederverwendung. Er war noch in sehr gutem Zustand.

Lange überlegten wir, ob wir die vier analogen Rundinstrumente (Spannung der beiden Batteriebänke, Stromstärke bei Betrieb des Motors und Füllstand des Dieseltanks) weiter betreiben sollten. Es ist eine Philosophiefrage, ob man voll und ganz auf analoge Technik vertraut oder sich in großen Teilen in die digitale Welt verabschiedet. Unsere Entscheidung trafen wir in der anschließenden Planungsphase.

Defekt an unterdimensioniertem Kabel für Anlasser und Vorglühanlage – Glück gehabt…
Leere Hauptverteilung mit provisorisch beschrifteten Kabeln

Die Planungsphase

Wie schon im ersten Blogeintrag zum Elektrik-Refit erwähnt, haben wir uns vom Grundsatz her an den hervorragenden Hinweisen des leider verstorbenen Manfred Kosthorst (http://www.kavenga-segeln.de) orientiert.

Dies betrifft sowohl die grundsätzliche Material- und Werkzeugauswahl als auch das Grundkonzept. Allerdings datiert seine Anleitung auf das Jahr 2010. Zu diesem Zeitpunkt war die Digitaltechnik bei weitem noch nicht da, wo sie jetzt ist. Insofern hatten wir die unseres Erachtens wichtige Entscheidung zu treffen, in welchem Umfang wir zukuntsorientierte Technologien verwenden möchten. Viele der erfahrenen Blauwasser- und Langfahrtsegler warnen vor dem Einsatz digitaler Technik. Sie führen eine höhere Anfälligkeit für Störungen an. Zum Teil glaube ich, dass neben berechtigten Vorbehalten oftmals auch Unwissenheit eine Rolle spielt.

Unsere Entscheidung fiel jedenfalls auf einen vernünftigen Mittelweg. Grundsätzlich gehen wir mit dem technischen Fortschritt. Bei allem, was wir planen, steht jedoch das KISS-Prinzip (Keep it simple and smart) im Vordergrund. Zusätzlich stellten wir uns jeweils die Frage, wie ein Ausfall kompensiert werden kann. Oftmals reichen zur Störungsbehebung oder Schaffung eines Workarounds ein paar Kabel, ein Messgerät und entsprechendes Werkzeug aus.

Entscheidung für moderne Bus-Systeme

Wir entschieden uns für den Einsatz von Bus-Systemen. Leider sind zwei verschiedene Systeme erforderlich. Für die Vernetzung aller Navigationssysteme und Sensoren nutzen wir den weitestgehend standardisierten NMEA2000-Bus. Für die Vernetzung der übrigen Komponenten (Tankanzeigen, Spannungs- und Verbrauchsmessung) kommt ein P-BUS zum Einsatz. Dieser ist ein Produkt der Firma Philippi. Der NMEA2000-Bus ist hierfür nicht gedacht. Die Produkte von Philippi zeichnen sich unseres Erachtens durch hohe Qualität und Praktikabilität aus.

Allerdings haben wir uns zunächst dagegen entschieden, Schaltrelais über den P-BUS zu schalten. Alle verwendeten Schalter sind analog ausgeführt. Eine zukünftige Abweichung von diesem Prinzip schließen wir bei entsprechend sinnvollem Einsatz nicht aus.

Erstellung eines Schaltplans

Nach der Bestandsaufnahme haben wir wir einen digitalen Schaltplan erstellt. Dafür kam das Microsoft-Produkt Visio zum Einsatz.

Auszug aus Schaltplan
Auszug aus dem neuen Schaltplan der Lankenau

Bei der Erstellung haben wir auf die vorhandenen analogen Schaltpläne des Voreigners zurückgegriffen. In einem wesentlichen Punkt haben wir dabei dessen Konzept geändert. Jürgen Rutenberg hatte drei Batteriebänke mit komplizierten Umschaltszenarien im Einsatz. Sie waren so kompliziert ausgeführt, dass eine umfangreiche Bedienungsanleitung erforderlich war. Zur Reduzierung von Bedienfehlern und nach dem Prinzip KISS entschieden wir uns für die Verwendung der üblichen zwei Batteriebänke:

  • Bank 1 für die Verbrauchergruppe Motor und Kielwinde mit einer Kapazität von 85 Ah
  • Bank 2 für die Verbrauchergruppe Service mit 170 Ah.

Über einfache farblich gekennzeichnete Umschalter kann im Bedarfsfall jede Bank auf jede Verbrauchergruppe geschaltet werden.

Da nahezu die gesamte Elektrik auf Basis einer 24-V-Spannung ausgelegt ist, existiert für einige Komponenten, wie z. B. UKW-Funk und NEMA2000-Bus, ein eigenes 12V-Netz, welches durch einen Spannungswandler gespeist wird. In einem zukünftigen Ausbauschritt wollen wir diesen durch eine zusätzliche 12V-Batterie, welche durch ein 24-12V-Batterieladegerät gespeist wird, ersetzen. Das würde uns einen manuellen Workaround bei Ausfall des Spannungswandlers ersparen.

Materialbeschaffung

In Vorbereitung der Montage, welche in einem folgenden Blogeintrag beschrieben wird, war eine umfangreiche Materialbeschaffung notwendig:

  • Sperrholzplatte zur Aufnahme der Hutschienen
  • Montagebügel für die Sperrholzplatte
  • Schrauben, Unterlegscheiben und Muttern
  • Hutschienen
  • Kabelklemmen- und Sicherungshalter für Hutschienen-Montage
  • Kabel in verschiedenen Farben und Ausführungen
  • Sperrholzplatte inklusive Lasur zur Aufnahme der Philippi-Schaltpanels
  • Scharniere
  • 2 Philippi-Schaltpanels 10-fach
  • 2 Philippi-Schaltpanels 8-fach
  • 1 Laternen-Überwachungspanel
  • 1 P-BUS-Monitor
  • Kabelbinder
  • Schrumpfschläuche
  • Beschriftungsmaterial